2020-07-11 bis 13 Vorderrhein, Glenner und Landquart, Graubünden in der Schweiz

Schweren Herzens beobachteten wir, wie die klassischen Paddeltage an den langen Frühlingswochenenden sowie in der Pfingstwoche an uns vorbeizogen, ohne dass eine Vereins-Wildwassertour in den Alpen möglich war. Einige hielten sich in der Zwischenzeit mit Privatausflügen in Kleingruppen über (oder auch unter) Wasser doch es war klar: Sobald die Lage der Corona-Epidemie und die gesetzlichen Rahmenbedingungen es zulassen, muss eine Vereinstour her!

Ende Juni eine vorsichtige Anfrage beim Vorstand. Ein vorsichtiges “Ja” als Antwort und ein unverbindliches “wer hat Bock zu paddeln?” in die Runde. Nur kurze Zeit später war der Kreis der Interessenten auf sagenhafte 14 Personen angewachsen! Angesichts der mittelmäßigen Wasserstände im Juli musste ein “Dauerbrenner” als Revier gewählt werden: Der Vorderrhein mitsamt seiner Nebenflüsse, Schauplatz zahlreicher WHW Ausflüge und der legendären Schwimmfestspiele, die mit 12 Schwimmern an einem Tag auf Vorder- und Hinterrhein in die Vereinschroniken eingingen.

Freitag 11. Juli 2020 – Die wirre Anreise

Bei 14 Teilnehmern fürchteten wir unbändiges Chaos und hatten deshalb alles minutiös vorbereitet. Ein ausgeklügelter Logistikplan war aufgestellt und Julia hatte den Trip im Computer simuliert: es gab gerade genug Autos für alle und zwei Turbo-Abendessen waren organisiert, darunter 3 kg eingefrorene Zucchini-Bolo, die buchstäblich auf Utes und Ronjas Mist gewachsen war und 24 Stunden Zeit hatte, aufzutauen. Und dann ging es los: Ute und Ronja, das Zentrum unserer Logistik, die Ernährer des Teams, die Verleiher der Boote und Besitzer zweier Riesenzelte, mussten aussetzen, um eines ihrer Pferde medizinisch zu versorgen, weil es ein du-weißt-schon-was am du-weißt-schon-wo hatte...  Also schnell noch in der Pfalz die Zelte, das Boot und den Eimer voll Soße abgeholt, um mit leichter Verspätung aber erstmals noch deutlich vor Mitternacht den Campingplatz in Trin zu erreichen.

Samstag 12. Juli 2020 – Hinterrhein, Glenner und Vorderrhein

Nach einer kurzen, kalten Nacht trommelte früh der Regen auf die Zelte und verzögerte ein wenig den Start des WHW-Camps. Fluch und Segen zugleich, denn diese eine regnerische Nacht sollte uns die Befahrung des Glenner ermöglichen. Unter den letzten Regentropfen wurde von 20 Händen in Windeseile der wiedergefundene Team-Pavillon aufgebaut. Laut Ute ein Garant dafür, dass es nicht regnet. Und so hörte mit dem letzten eingeschlagenen Hering der Regen auf und kam bis zum Ende des Trips nicht wieder.

  • Abschnitt
    • Hinterrhein von Kraftwerkszulauf Rothenbrunnen bis Zusammenfluss Vorderrhein Reichenau
  • Pegel
    • Station Fürstenau (oberhalb KW-Zulauf), 11:00 Uhr, 24 m³/s
  • Distanz:  7 km
  • Teilnehmerzahl: 12
  • Vereinskilometer: 84 km

Die Wassermenge im Hinterrhein wird durch ein dreistufiges Kraftwerk mit zwei Speicherseen reguliert. In den Tagen vor unserem Trip wurde an jedem Tag fett Wasser abgelassen, sodass in Fürstenau ein Durchfluss von ca. 100 m³/s zu verzeichnen war. Nur an Wochenenden wird scheinbar nicht abgelassen und so booteten wir unterhalb des Kraftwerkszuflusses in Rothenbrunnen ein und durften uns auf einer gemütlichen Fließstrecke mit einer Handvoll kleiner Spielstellen einpaddeln. Im Nachhinein betrachtet wurden nur werktags die hohen Pegelstände am Hinterrhein erreicht.

  • Abschnitt
    • Glenner: Peiden bis Ilanz
    • Vorderrhein: Ilanz bis Reichenau
  • Pegel
    • Station Castrisch 6 m³/s
    • Station Ilanz 32 m³/s
  • Dauer: 3 Stunden 5 Minuten
  • Ø-Geschwindigkeit: 9,4 km/h
  • Distanz:  29,2 km (7 km Glenner, 22 km Vorderrhein)
  • Teilnehmerzahl: 9 (Glenner), 12 (Vorderrhein)
  • Vereinskilometer: 327 km

Die Anfahrt zum Schlitz wird gesichert.

Nach einer kurzen Besichtigung der Wehre am Glenner wurde auf einer Kiesbank ca. 300m unterhalb des hohen Wehres in Peiden eingesetzt. Von einer Haltebucht an der Straße bahnten wir uns den Weg durch Dschungel und Zecken die steile, rutschige Böschung hinab, nur um auf der Kiesbank picknickende Familien mit Sonnenschirmen vorzufinden. Mission für’s nächste Mal: Es muss doch einen normalen Weg da runter geben! Der Glenner hatte einen niedrigen Wasserstand von ca. 6m³/s am Pegel Castrisch (Ilanz). Zu niedrig, sagten die Riverapp und Rivermap.ch. Doch konnte bei diesem Pegel die gesamte Strecke ohne Bodenkontakt befahren werden und war definitiv lohnenswert. Der Schlitz war bei dem Wasserstand nicht vorhanden und lediglich die Anfahrt zum Schlitz stellte eine kleine Schwierigkeit dar, die aber weitgehend gut gemeistert wurde. Auch der Galerieschwall  brachte bei diesem Wasserstand niemanden in Verlegenheit. Hinter der Pegelschwelle in Ilanz stieß der Rest der Gruppe dazu und gemeinsam wurde der Vorderrhein bis Reichenau befahren.

Grand Canyon des Vorderrheins.

 

Pascal lässt eiskalt das schwarze Loch links liegen.

Auch hier war der Pegel eher gemütlich und die Klassiker wie das verfallene Wehr mit den Riesenwellen oder das Schwarze Loch waren wenig beeindruckend. Lediglich ein größeres Loch am Anfang sollte umfahren werden und führte zum ersten und einzigen Synchronschwimmer dieses Trips. Im unteren Abschnitt ab Versam konte mann die imposante Rheinschlucht genießen, doch ließen sich bei diesem Wasserstand die interessanten Stellen auf diesem gut 10km langen Teilstück an einer Hand abzählen.

Sehr spät landeten wir wieder im Camp, was allerdings kein Problem war, weil die aufgetaute Zucchini-Bolo schon auf uns wartete.

Zitat des Tages: "Ich bin begeistert: Schwimmen war gestern. Heute wird gerollt!" (Volker, berühmte letzte Worte).

Samstag 12. Juli 2020 – Oberer Vorderrhein und Glenner

  • Abschnitt
    • Vorderrhein: KW Madernal bis KW Tavanasa
  • WW II-III (2x III-IV)
  • Pegel
    • Station Ilanz (weit unterhalb!), 31 m³/s
  • Dauer: 1 Stunde 43 Minuten
  • Ø-Geschwindigkeit: 7,7 km/h
  • Distanz: 13,2 km
  • Teilnehmerzahl: 12
  • Vereinskilometer: 158 km

An diesem sonnigen Morgen erwarchte das WHW-Camp schon früh und bereitete sich auf die lange Anfahrt (ca. 1h bis alles umgesetzt war) nach Madernal vor. Dort setzten wir unterhalb des Kraftwerkszuflusses ein und paddelten bis zur Staumauer des Kraftwerks Tavanasa. Für diesen Abschnitt des Vorderrheins gibt es keinen separaten Pegel, doch die Erfahrung sagt, dass bei 25-30m³/s in Ilanz meist genug Wasser für eine Befahrung des oberen Abschnitts vorhanden ist. Der Charakter dieser Strecke war ein ganz anderer als im Unterlauf. Volker sagte “hier gibt es mehrere Kellertreppen”. Es wechselten sich kleine und große, teils verblockte Schwälle und Katarakte mit längeren Fließstrecken ab. In den Schwallstücken war bei dem Wasserstand immer eine gute Linie fahrbar, doch für die Stücke dazwischen hätte es gerne mehr Wasser sein dürfen. Erwähnenswert sind der erste (500m nach dem Einstieg) und letzte Katarakt (direkt vor dem Ausstieg). Beides WW3-4 mit stärkerer Verblockung und einer recht hohen, etwas überraschend auftauchenden Stufe mit unruhigem Unterwasser zum Abschluss der Fahrt.

Tobias bahnt sich seinen Weg durch den Einstiegskatarakt, die Schlüsselstelle auf den oberen Vorderrhein.

Ende des Einstiegskatarakts am oberen Vorderrhein.

Nachdem die Autos geholt waren, ging es für einen kurzen Feierabendrun auf den Glenner, der zu zehnt befahren wurde. Bei diesem Run zeigte der Pegel am Ausstieg 5m³/s, was immernoch gut ging aber schon langsam holprig wurde. Hier dürfte wohl das untere Limit für eine lohnenswerte Befahrung liegen.

  • Abschnitt
    • Glenner: Kiesbank unterhalb Wehr Peiden bis Ilanz
  • WW III
  • Pegel
    • Station Castrisch 4.5 m³/s
  • Distanz: 7 km
  • Teilnehmerzahl: 10
  • Vereinskilometer: 70 km

Montag 13. Juli 2020 –Vorderrhein und Landquart

  • Abschnitt
    • Vorderrhein: Ilanz bis Reichenau
  • WW II-III
  • Pegel
    • Station Ilanz, 13:30 Uhr, 20 m³/s
  • Distanz:  22 km
  • Teilnehmerzahl: 12
  • Vereinskilometer: 264 km

In aller Früh wurde der Vorderrhein von Ilanz bis Reichenau befahren. Nach gefühlten 500 Vereinskilometern der letzten 2 Tage (in Wirklichkeit waren es bis hierhin 639 km!) waren die Arme lang und trotz – oder eben wegen – des niedrigen Wasserstands sank die Roll-zu-Schwimmquote in einen bedenklichen Bereich. So erreichten wir Reichenau erst gegen 14 Uhr. Als gegen 15:30 dann das Camp geräumt war, entschieden sich Volker und der harte Kern (Jan, Julia, Markus) noch für eine Befahrung der Landquart, welche mit 21m³/s gut eingeschenkt war, während der Rest die Heimreise antrat.

  • Abschnitt
    • Landquart: Küblis bis Schiers
  • WW III-IV
  • Pegel
    • Station Felsenbach 21 m³/s
  • Distanz:  10 km
  • Teilnehmerzahl: 4
  • Vereinskilometer: 40 km

Julia bekam auf der Fahrt dank Volkers angsteinflößenden und geheimnisvollen Umschreibungen (oder aufgrund seines Fahrstils?) Magenkrämpfe und konnte sich erst im letzten Moment zur Befahrung durchringen. Auf dem Fluss ist dann aber keine Zeit mehr für Magenkrämpfe denn es geht gleich beim Sägewerk mit hohem Tempo und vielen Wellen los. Nachdem man sich auf den ersten 2 km an die hohe Flussgeschwindigkeit und die Aufmerksamkeit für die ganzen großen und kleinen Löcher etwas gewöhnen kann. Kommt auch schon ohne Vorwarnung die erste Schlüsselstelle, die Volker spontan entschließt doch noch rechts anzufahren. Doch Julia kann nicht schnell genug reagieren und bleibt erstmal an dem Stein vor der Einfahrt in die enge Stelle hängen und stößt einen lauten Schrei „Volker!!“ aus. Markus der danach kommt fühlt sich aber auch nicht angesprochen und wüsste auch nicht, wie er helfen kann und umfährt den Stein und Julia links. In der engen Stelle danach schisst das Wasser auf die Wand am rechten Flussufer. Das trifft auch Volker unvorbereitet, der gegen die Wand gedrückt wird. Markus ist auch nicht drauf gefasst und wird vor der Wand umgeworfen und muss rollen. Auch Julia knallt an die Wand und klemmt sich einen Finger ein. Jetzt sind spätestens alle wach. Eine lange Verschnaufpause wird einem aber in unserem ersten Kehrwaser nach der Stelle nicht gegönnt und es geht gleich wieder mit viel Wellen und Löchern weiter zur zweiten Schlüsselstelle, der „mini Klamm“. Hier instruiert Volker uns in unserem zweiten und letzten Kehrwasser, dass wir links anfahren sollen und der Zunge nach rechts folgen, um das große Loch in der Klamm zu umfahren. Volker gelingt es selbst allerdings nicht perfekt und wird im Loch gedreht und rettet sich in ein mini Kehrwasser am linken Flussrand. Was es so aussehen ließ, als ob es Absicht war und er nur schauen wollte, wie wir uns so schlagen. Julia nutzt ihren Speed auf der perfekten Linie, um Volker zu überholen. Doch das bekommt Markus gar nicht mehr mit, er verfehlt bereits die Anfahrt auf dem linken Prallpolster und muss rollen, allerdings schafft er es schnell genug wieder hoch um noch zu sehen, wie er in das große Loch in der Mitte fährt, doch der Speed reicht nicht für eine souveräne Durchfahrung aus. Doch er kann knapp einer dritten Rolle entgehen und kerzt aus dem Loch. Jan beobachtet alles aus dem Kehrwasser oberhalb und entschließt sich für Julias Linie, gute Wahl.

Anschließend nimmt die Schwierigkeit des Baches gefühlt etwas ab, doch der Charakter bleibt. Und Volker lotst Julia fleißig durch alle Löcher. Doch Jan am Ende der Truppe sucht sich einfach eine entspanntere Linie. Kurz vor dem Ausstieg am Kieswerk folgt nochmal eine schmale S-Kurve, die von allen aber problemlos befahren wird.

Zitat des Tages: "Sind wir schon da?" (alle, auf dem Vorderrhein zwischen Versam und Reichenau)

Am ende stehen fast 950 gepaddelte Vereinskilometer an drei Tagen. Damit hätte man als Staffel auch locker von Ilanz nach Heidelberg paddeln können.

Fliegen - nur Paddeln ist schöner.

WHW-Scoreboard

and the winner is...

 

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